Bewegte Zeiten – evangelisch und politisch (1895-1945)

Welche Bedeutung die Pfarrgemeinde in Klagenfurt mittlerweile erreicht hatte, zeigt sich daran, dass sich für die Nachfolge Bauer nicht weniger als 61 Bewerber meldeten. Zum neuen Pfarrer wurde Robert Johne gewählt, der um 1890 bereits für drei Jahre als Vikar in Klagenfurt gewesen war.

Der Tod des Superintendenten Bauer 1895 fiel in jene Zeit, in der sich langsam aber sicher auch die „Los von Rom“-Bewegung bemerkbar machte, in der sich nationalpolitische und konfessionelle Elemente und Motive oftmals vermischten. In Hinblick auf die Zahlen der Übertritte und der ausgetragenen Konflikte lag Kärnten insgesamt nur an der Peripherie der „Los von Rom“-Bewegung. Dennoch machten sich die zunehmenden Eintritte in den Gemeinden bemerkbar. In der Pfarrgemeinde Klagenfurt traten in den Jahren 1896 bis 1910 insgesamt immerhin 732 Menschen in die evangelische Kirche ein (was mehr als die Hälfte der Eintritte in ganz Kärnten in diesen Jahren war). 1914 hatte die Gemeinde rund 3000 Mitglieder.

In einer Stadtgemeinde wie Klagenfurt war diese Bewegung stärker als anderswo, und führte auch zu einer zunehmenden „Verbürgerlichung“ des Protestantismus. Viele Gemeinden und Pfarrer verhielten sich in dieser Bewegung zurückhaltend. Es gab aber auch einzelne Pfarrer, die bewusst auf die Vertreter der Bewegung und die Übertretenden aktiv zugingen, wie etwa Pfarrer Robert Johne in Klagenfurt. Johne begegnete der Notwendigkeit einer Integration der Eintretenden nicht zuletzt mit der Veranstaltung von Vortragsabenden, bei denen es um verschiedene religiöse Themen ging, aber immer wieder auch um Kirchengeschichte (die insgesamt in dieser Zeit zu einem identitätsstiftenden Faktor wurde). Im Februar 1903 wurden erstmals „Neu-Protestanten“ auch in die Körperschaften der Pfarrgemeinde Klagenfurt gewählt (einer von ihnen, Prof. Richard Pohl, sollte nur wenig später sogar Mitglied der Synode werden und als Gründer der „Evangelischen Witwen- und Waisenhilfe“ in Erscheinung treten). Anfang 1904 war Anton Eisenkolb, einer der maßgeblichen Proponenten der Bewegung im Deutschen Reich, in Klagenfurt zu Gast, die Veranstalter sprachen dabei von 700 Besuchern.

Was hinsichtlich der Gemeindeaufgaben für Klagenfurt von besonderer Bedeutung war, war der Umstand, dass in kurzer Zeit mehrere Predigtstationen entstanden. In diesem Zusammenhang fand im November 1901 dann auch der erste Gottesdienst in Ferlach statt, die relativ bald regelmäßig im Gasthof zur Post gefeiert wurden. Zum Gebiet der Predigtstation Ferlach, die auch große Teile des Rosentals umfasste, gehörten in diesen Jahren rund 100 Menschen. 1910/11 schenkte Josef Ratz der Pfarrgemeinde sogar einen Baugrund in Kirschentheuer. Zu jenen Orten, an denen sich evangelisches Leben in den Jahren um 1900 nachhaltig entwickelte, gehörte auch St. Veit an der Glan, wo ab 1904 ein Personalvikar tätig war (der von bösen Zungen als „Los von Rom-Agent“ tituliert wurde). 1907 konstituierte sich St. Veit als Filialgemeinde, die 1909 mit Erich Pechel einen eigenen Vikar wählte. In diesem Jahr wurde in Klagenfurt wiederum mit dem nötigen Neubau eines Pfarrhauses begonnen, der 1910 bereits abgeschlossen werden konnte.

1908 war im Rahmen der Pfarrgemeinde ein evangelisches Töchterheim eingerichtet worden, das im Schnitt 20 Mädchen beherbergte und 1913 erfolgte die Eröffnung eines Schülerheims (schon davor hatte es ein von Waiern aus betriebenes Studentenheim gegeben, mit dem es aber zu Konflikten gekommen war).

Die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges machten sich in Klagenfurt wie auch in anderen Gemeinden auf zwei Ebenen deutlich, dem Verlust von Menschenleben und materiellen Einbußen. Noch während des Krieges wurde über die Anbringung einer Gedenktafel gesprochen und 1917 war das Jahr, in dem auch Klagenfurt Glocken zur Einschmelzung abliefern musste (die neuen Glocken wurden dann 1926 aufgezogen). Die Monate der militärischen Auseinandersetzungen um die neuen Landesgrenzen, der „Abwehrkampf“, betraf die Gemeinde insofern, als einige Zeit mehrere Predigtstationen nicht versorgt werden konnten, da sie im vom SHS-Staat verwalteten Teil Kärntens lagen.

1920 wurde St. Veit an der Glan eigenständige Pfarrgemeinde und übernahm auch Eggen am Kraigerberg als Filialgemeinde (für Eggen war dies nun seit den 1780er Jahren bereits die vierte Muttergemeinde). In diesem Jahr wurde Robert Johne auch zum Senior gewählt. Wegen der umfangreichen Aufgaben wurde 1928 erstmals eine zweite Pfarrstelle eingerichtet, die mit Wilhelm Foelsche besetzt wurde. Nach 36 Jahren im Amt ging Johne dann 1931 in den Ruhestand und die folgende Pfarrerwahl zeigte, dass es in der Gemeinde erhebliche Konfliktlinien gab.

Die Wahl fand zwischen Foelsche und Pechel statt – und während Pechel in Klagenfurt selbst eine deutliche Mehrheit hatte, gewann Foelsche die Wahl knapp, da er in den Filialgemeinden nahezu einstimmig gewählt worden war. Wegen verschiedener Unstimmigkeiten (und nach heftigen Auseinandersetzungen) musste die Wahl jedoch wiederholt werden, wobei bereits davor die Abmachung getroffen wurde, dass Pechel als einziger Kandidat nominiert werden sollte und Foelsche als Vikar die Betreuung der Filialgemeinden übernehmen sollte. So war nun Erich Pechel als 1933 Klagenfurter Pfarrer.

In seinen ersten Jahren in Klagenfurt erlebte Pechel die Zeit des „Ständestaates“ mit den Bedrängungen evangelischen Lebens, die diese Jahre mit sich brachten. Pechel selbst wurde immer wieder beschuldigt, Katholiken zum Übertritt zu drängen und rund um den Vikar Georg Benz gab es Konflikte mit den Behörden, da er nationalsozialistischer Umtriebe beschuldigt wurde. Die mit 1934 einsetzende (stark politisch geprägte) Übertrittswelle brachte Klagenfurt einen erheblichen Zuwachs, allein 1934/35 gab es fast 500 Eintritte. 1936 wurde das neue Gemeindehaus in Moosburg fertig gestellt, auch hier hatte es einige Konflikte gegeben, da einige dieses evangelische Lebenszeichen nicht gerne sahen.

In den Pfarrgemeinden wurde der „Anschluss“ des Jahres 1938 mit verschiedenen Feiern, Gottesdiensten, Beflaggungen von Kirchen oder Pfarrhäusern und ähnlichem begangen. Im Jahresbericht der Pfarrgemeinde Klagenfurt wurde retrospektiv die Losung „Der Herr hat Großes an uns getan“ wiederholt und mit Blick auf das gesamte Jahr 1938 festgestellt: „Als evangelische Christen sagen wir: das kam von Gott, der seine Weisheit und seinen starken Arm in der Geschichte unseres Volkes bewiesen hat“. Im Rahmen des Empfanges für Adolf Hitler in Klagenfurt am 4. April 1938 trat auch der Klagenfurter Pfarrer und Senior Erich Pechel als Vertreter der Evangelischen Kirche in Erscheinung; er bedankte sich bei Hitler dabei für „seine Tat“ und versicherte ihm, dass die Evangelischen geschlossen hinter dem „Führer“ stünden.

Schon nach wenigen Wochen wich allerdings die große Euphorie einer deutlichen Ernüchterung, als sich die antikirchliche Politik des NS-Regimes immer deutlicher manifestierte. Das Regime begann 1938/39 unter anderem mit einer Austrittspropaganda, dazu kamen die mehr oder weniger offiziellen Bestimmungen zur Unvereinbarkeit von Parteifunktionen und konfessioneller Zugehörigkeit. In Klagenfurt zeigt sich beispielhaft, dass die Schwerpunkte dieser Austrittsbewegung in den Jahren 1938-1940 lagen: waren es in diesen drei Jahren insgesamt 1.039 Austritte, so waren es in den fünf weiteren Jahren bis zum Ende des Krieges insgesamt „nur“ 500 Austritte. Ein positiver Schritt in diesen Jahren war 1940 die Einweihung des neuen Bethauses in Ferlach.

Die Ereignisse des Zweiten Weltkrieges betrafen vor allem die Pfarrgemeinden in den Städten auch durch die zunehmenden Bombenangriffe. Im Jänner, Oktober und Dezember wurde die Johanneskirche so schwer beschädigt, dass sie für Gottesdienste nicht mehr verwendet werden konnte. Am 19. Februar 1945 wurde die Kirche neuerlich beschädigt. Die Schäden am Pfarrhaus waren durch diesen Bombenangriff so beträchtlich, dass das Haus nicht mehr aufgebaut werden konnte und nach dem Krieg ein neues Pfarrhaus errichtet werden musste. Im Sommer 1946 war die Kirche wieder benutzbar, das neue Pfarrhaus wurde 1949 fertiggestellt.