Predigt zum 1. Advent, 28.11. 2021

Für alle, die am Gottesdienst nicht teilnehmen konnten - oder zum Nachlesen:

aus der Johanneskirche die heutige Predigt von Pfarreg Gregor Schmoly

Predigttext: Jeremia 23, 5-8

5Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr,
dass ich dem David einen gerechten Spross erwecken will.
Der soll ein König sein,
der wohl regieren und Recht und Gerechtigkeit im Lande üben wird.
6Zu seiner Zeit soll Juda geholfen werden und
Israel sicher wohnen.
Und dies wird sein Name sein, mit dem man ihn nennen wird:
»Der Herr ist unsere Gerechtigkeit«.

7Darum siehe, es wird die Zeit kommen, spricht der Herr,
dass man nicht mehr sagen wird:
»So wahr der Herr lebt, der die Israeliten aus Ägyptenland geführt hat!«,
8sondern: »So wahr der Herr lebt,
der die Nachkommen des Hauses Israel heraufgeführt und hergebracht hat
aus dem Lande des Nordens
und aus allen Landen, wohin er sie verstoßen hatte.«
Und sie sollen in ihrem Lande wohnen.

 

Liebe Gemeinde!

Welche Gedanken, Gefühle und Bilder kommen uns in den Sinn, wenn wir an die Adventzeit denken?

Bei mir sind diese Bilder recht vielfältig:

Der Adventkranz etwa, eine evangelische Erfindung aus Hamburg, um uns die Zeit bis Weihnachten mit den Kerzen und Lichtern etwas zu verkürzen.

Oder die duftenden Kekse, die ab dem ersten Adventsonntag das Warten versüßen.

Der Geschmack von Zimt, Nüssen, Honig und Vanille.

Der Tee oder manchmal auch Punsch, wärmende Getränke, die zur kalten Jahreszeit einfach dazugehören.

Und schließlich natürlich der Adventkalender, der das Aufstehen in den Dezembertagen zu einem Erlebnis macht.

 

Schon an diesen ganzen Eindrücken wird deutlich: wir steuern auf etwas zu. Der Adventkranz wird von Sonntag zu Sonntag heller, der Adventkalender öffnet von Tag zu Tag immer mehr Türen – die ganzen Köstlichkeiten machen schon das Warten zu einem kulinarischen Genuss.

 

Das Warten!

Aber worauf warten wir denn eigentlich?

In diesen Tagen müssen wir leider dazusagen, wir warten auch darauf, dass sich die Kurven, die sich in allen Zeitungen befinden, wieder etwas abflachen, die Zahlen der Infektionen endlich niedriger werden, Krankenhäuser entlastet werden und wir schließlich auch unsere alten Freiheiten zurückbekommen – ja wir warten auch darauf, dass das Bild der weltweiten Pandemie, welches wir ja schon vom letzten Advent her kennen, endlich der Vergangenheit angehört. 

 

„Siehe es kommt die Zeit“ – ruft uns da der Prophet Jeremia gerade am heutigen Sonntag zu. „Siehe es kommt die Zeit.“

Da drängt sich mir gleich die Frage auf: Was weiß denn der Prophet Jeremia eigentlich schon?

Er hat vor über 2500 Jahren gelebt. In einer ganz anderen Zeit, in einer ganz anderen Welt, in einer ganz anderen Umgebung. Er hat weder die Freuden, die Düfte und Eindrücke der Adventzeit gekannt, noch diesen Gegensatz, den wir derzeit erleben, diese aktuellen Tage der Pandemie.

 

Sprechen uns daher Jeremias Worte heute überhaupt noch an? Wecken sie unsere Aufmerksamkeit in der beginnenden Adventzeit?

Für die Menschen der damaligen Zeit, das kann man wohl so sagen, war der Prophet Jeremia kein angenehmer Zeitgenosse. Sie haben ihm zwar zugehört, aber was er zu sagen hatte, ist nicht auf besonders viel Gegenliebe gestoßen.

Gesellschaftskritik ist da noch nett ausgedrückt – vielmehr prophezeite Jeremia den Untergang der so vertrauten Welt, des Königreiches Juda, mitsamt der Hauptstadt Jerusalem. Schuld seien die Menschen selbst – so meint es Jeremia - denn sie haben einen ganz falschen Weg eingeschlagen und sich von Gott abgewandt.

Den Königen des Reiches Juda war Jeremia deshalb natürlich ein Dorn im Auge, er war ein Unruhestifter, und die Könige selbst waren nicht selten Ziel seiner verbalen Angriffe.

 

Daher wäre das Prophetenbuch Jeremia eigentlich eine gute Grundlage für eine ordentliche Bußpredigt. Man würde bei ihm genug aufrüttelnde Worte finden – auch wenn diese aus einer anderen Zeit stammen.

 

Aber passt das zu unserem heutigen Gottesdienst – zum 1. Advent?

Gott sei Dank gibt es noch andere Zeilen von Jeremia – und das sind eben die heutigen Worte zum 1. Adventsonntag:

5Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, dass ich dem David einen gerechten 
Spross erwecken will. (…) 6Zu seiner Zeit soll Juda geholfen werden und 

Israel sicher wohnen. Und dies wird sein Name sein, mit dem man ihn nennen wird: 

»Der Herr ist unsere Gerechtigkeit«.

 

Worte, die über 2500 Jahre alt sind, aus dem Mund des kritischen Propheten Jeremia – ein Ausblick, auf eine Zukunft, die Hoffnung macht: Es kommt eine Zeit!

Waren die Menschen von diesem ungezügelten Jeremia damals vielleicht zuerst tief erschrocken, haben ihnen diese Worte des Propheten wohl wieder gutgetan. Denn Hoffnung, das haben seine Zuhörerinnen und Zuhörer wohl gebraucht, so wie wir heute.  

Zurück zu meiner aktuellen Frage: Was weiß denn der Prophet Jeremia schon?

Vielleicht wirklich nichts von Adventbräuchen und den Problemen unserer Zeit. Aber er weiß sehr wohl was Hoffnung ist, die er mit seinen einzigartigen Worten verkündigt.

Denn schon in den ältesten Texten der Bibel, wie bei den alten Propheten, findet sich immer wieder Hoffnung, die durchschimmert.

Überhaupt gehört Hoffnung zur Bibel wie kaum etwas anderes.

Die ganzen Erzählungen, Berichte, die ganze Geschichte der Bibel sind durchzogen von Hoffnung und Zuversicht.

Neben den ganzen Erschütterungen, von denen die Bibel zu erzählen weiß, neben den menschlichen Erlebnissen mit Gott, neben der ganzen Freude und auch dem tiefsten Schmerz und Leid, ist die Hoffnung etwas, was immer wieder aufkeimt – und vor allem Frucht bringt.

 

Wenn ich jetzt noch einmal an meine ganz persönlichen Gedanken, Gefühle und Bilder der Adventzeit denke, merke ich, dass SIE auch dazugehört. Vielleicht am Anfang neben den ganzen Eindrücken, den Adventkränzen und Adventkalendern, neben den Geschmäckern der Kekse, den wärmenden Getränken und dem Adventkalender noch unbemerkt.

Aber dann keimt sie ja doch wieder auf - vielleicht auch, wenn ich die Botschaft des Advents wieder höre – dann ist sie wieder da: Die Hoffnung.

 

Was bedeutet diese Hoffnung denn in unserer Gemeinschaft, im hier und jetzt?

Sie wird ja neben Glaube und Liebe als eine der drei christlichen Tugenden beschrieben. Und doch ist sie so schwer zu greifen, dass man sie kaum beschreiben kann.

Immerhin ist die Hoffnung etwas, was uns Mut machen kann, dieser Welt zu begegnen.

Die Hoffnung ist etwas, was weit über unsere Wirklichkeit hinausgeht, wie wir letzten Sonntag, am Ewigkeitssonntag, gesehen haben.

Die Hoffnung ist etwas, was mir sagt, ich kann gestärkt nach vorne blicken, auch im hier und jetzt.

 

Der Advent sagt uns wiederrum, wir steuern auf etwas zu.

Der Advent sagt uns auch, dass die Hoffnung immer wieder aufs Neue aufkeimt, diese Hoffnung uns immer wieder aufs Neue begegnet.

Das ist einer der Schätze, die wir durch die christliche Botschaft geschenkt bekommen haben.

An die uns der Advent jedes Jahr aufs Neue erinnert – in guten wie in schwierigen Zeiten.

Die Hoffnung ist ein steter Begleiter.

 

Wir sagen euch an, den lieben Advent…

Wie soll ich dich empfangen und wie begegn ich dir…

oder

Mach hoch die Tür die Tor, die Tor mach weit…

Klänge die wir am ersten Adventsonntag im Ohr haben – die uns verdeutlichen, es ist wieder die Zeit angebrochen, die uns hinführt, auf etwas zuführt.

Das Gefühl und den Klag der Adventzeit, können wir Christinnen und Christen in uns aufnehmen. Tief verwurzelt in unserem Glauben und unserem Vertrauen.

Wir können es in uns aufnehmen und mittragen: In unsere gewohnte Umgebung, in Situationen, die uns unsicher machen, in unsere Freude und Dankbarkeit, zu unserem Schmerz und zu unseren Sorgen und Ängsten.

Schon Jeremia, der Prophet, wusste vor mehreren tausend Jahren, es kommt etwas Großes auf uns zu. Etwas, worauf wir all unsere Hoffnung hängen können.

AMEN